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:: Anträge für die Stadtverordnetenversammlung am 02.11.2020 zum Thema Ausbau der Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt ::

Für die nächste Stadtverordnetenversammlung am 02.11.2020 liegen derzeit zwei Anträge bzgl. des Ausbaus von Videoüberwachung in der Oberen Königsstraße vor, einer von der CDU und einer von der Fraktion Wir für Kassel (WfK).

Wir für Kassel (WfK):

"Videoüberwachung Obere Königsstraße

Antrag

zur Überweisung in den Ausschuss für Recht, Sicherheit, Integration und
Gleichstellung

Die Stadtverordnetenversammlung wird gebeten, folgenden Beschluss zu fassen:

     Die Obere Königsstraße wird nicht, auch nicht in Teilen, videoüberwacht.

Begründung:

An öffentlich zugänglichen Orten dürfen Polizei und Kommunen Videokameras nur
einsetzen, soweit dies zur Gefahrenabwehr erforderlich ist. Die konkreten
rechtlichen Voraussetzungen dazu ergeben sich aus dem Hessischen Gesetz über
die öffentliche Sicherheit und Ordnung (§ 14 Abs. 3 und 4 HSOG). Diese
Voraussetzungen liegen für die Obere Königsstraße nicht vor.

Berichterstatter/-in: Stadtverordneter Dr. Bernd Hoppe

gez. Dr. Bernd Hoppe

Fraktionsvorsitzender"

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CDU:

"Videoüberwachung 2020

Antrag

zur Überweisung in den Ausschuss für Recht, Sicherheit, Integration und
Gleichstellung

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat wird aufgefordert, entsprechend den Zusagen von
Oberbürgermeister Geselle, noch im Jahr 2020 eine Videoüberwachung in der
Innenstadt einzurichten.

 

Begründung:


Berichterstatter/-in: Stadtverordneter Stefan Kortmann

gez. Dr. Michael von Rüden
Fraktionsvorsitzender"

:: Videoüberwachung in Kassel 2020 - ein Kommentar zur innerstädtischen Ausweitung von Überwachungsinfrastruktur ::

Bereits seit mindestens 2017 im Gespräch, nun aufgrund der erfüllten damaligen anstehenden strukturellen Anforderungen - dem Umbau der Königsstraße - wieder aktuell, das Thema einer Erweiterung der Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt. Oberbürgermeister Christian Geselle, von Haus aus Polizist und Jurist, somit vermeintlich qua Ausbildung ein Spezialist, Fachmann und Experte für Sicherheit, liegt das diffuse und nicht näher bestimmbare „Sicherheitsgefühl“ der Kasseler Bürger nach wie vor sehr am Herzen. Daher bringt er eine Ausweitung der Videoüberwachung auch der Oberen Königsstraße in Gang, welche bisher lediglich partiell durch Kameras von nicht-öffentlichen Stellen überwacht worden ist. (Wie diese Seite dokumentiert, wird der „Kriminalitätsschwerpunkt“ Untere Königsstraße bereits seit langem von drei Kameras in den Blick genommen.) Da diese besagten Umbauten nun abgeschlossen sind, ist entsprechend mit einer Konkretisierung der Pläne zu rechnen.
Bereits mit Ankündigung des Vorhabens eines Ausbaus der Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt ist im Jahr 2017 ein sicherheitspolitisches Konzept unterschiedlicher Fraktionen der Kommunalpolitik gefordert worden, in dessen Rahmen der geplante Ausbau zu bewerten und zu verhandeln sei. Meinen Informationen zufolge liegt dieses Sicherheitskonzept bis zum heutigen Tage nicht vor, was kein Hinderungsgrund für den Oberbürgermeister zu sein scheint, neue Kamerasysteme installieren zu lassen.
Das vorgebrachte „Theorem“ des Sicherheitsgefühls zielt inhaltlich erfahrungsgemäß ins Leere, da es in letzter Konsequenz nicht das hält, was es verspricht. Fühlen sich Nutzer des öffentlichen Raumes durch Videoüberwachung vielleicht auch erstmal „sicher“, wird diese Sicherheit tagtäglich unter den Augen von Kameras durch Delikte wie bspw. affektierten Gewalttaten konterkariert. Im Fokus steht m.E. auch hier in Kassel vielmehr das Bild einer sauberen und ordentlichen Stadt, welche keinen Platz bietet für Randgruppen wie Junkies, Bettler und sonstige den Glanz des innerstädtischen Konsumapparates störenden Glückes der „anständigen“ Nutzer des öffentlichen Raumes - wenngleich diese „Randgruppenbelästigung“ durch Videoüberwachung innerstädtisch nicht oder nur bedingt reduziert werden wird. Zumindest scheint das Narrativ des Sicherheitsgefühls implizit werbeeffektiv im Hinblick auf das zukünftige „temporäre“ Wohlbefinden der Bürger zu sein. Die Argumentation des aus dem Rathaus tönenden „Sicherheitsgefühls“ und der Forderung um Ausweitung einer kameraüberwachten Innenstadt, steht dem ordentlichen Einsatz von Videoüberwachung vor dem Hintergrund einer erforderlichen Gefahrenabwehr - wie der Einsatz im Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung kodifiziert ist - im ersten Blick diametral gegenüber. Die durch Polizei und Kommunen überwachten Orte müssen als erwartbare und potentiell risikobehaftete Orte mit Aussicht auf zu begehende Straftaten gewertet werden. Dies ist m.E. nicht haltbar für den Bereich der Oberen Königsstraße. Es bleibt abzuwarten, ob mit dem Sicherheitskonzept für die Stadt Kassel somit nicht doch noch die nötige Hintertür geschaffen wird, um weitere Teile der Innenstadt als „gefährlich“ zu deklarieren und die diskursive Grundlage für den Ausbau der Videoüberwachung (nachträglich) zu schaffen und zu begründen.
Die Anwesenheit von Kameras wird vergessen oder überhaupt gar nicht erst gewußt, sowohl auf Seiten von „Tätern“ als auch „Opfern“ - ferner aller anderen den öffentlichen Raum nutzenden Bürger. Somit ist die Diskussion um Sicherheit mit Blick auf Ausweitung von Videoüberwachung überhaupt immer nur eine heilsversprechende, d.h. beruhigende und vermeintlich „gute“ Lösung, welche signalisiert, „wir tun was“ für die Sicherheit in der Stadt. Das Vergessen und das Nicht-Wissen von Kameras jedoch liegt auf Seiten aller - auf Handlungsebene ist hier folglich wenig verändernde Interaktion im öffentlichen Raum erwartbar, um dies nochmals zu betonen. Somit ist der präventive Charakter von Videoüberwachung weitestgehend zu vernachlässigen, Videoüberwachung erscheint als kein geeignetes Mittel, um Straftaten zu verhindern. Auch in Kassel ist es das nicht und wird es nicht dadurch, daß nun zusätzlich nicht-„Kriminalitätsschwerpunkte“ videoüberwacht werden sollen.
Mittels expandierender Law-and-Order-Rhetorik wird Videoüberwachung als Konstrukteur von „sicheren Räumen“ genutzt und kolportiert, welche als symbolisches Schutzschild ungebetene Bevölkerungsteile von vorne herein abhalten soll, Teilhaber dieser Räume zu sein und hier subjektive Sicherheitsgefühle Anderer zu beschädigen. Neben dem Aspekt eines erhofften Ausschlusses jeglicher potentieller Gefährder innerstädtischer Ordnung muß erwähnt werden, daß sicherlich auch Straftaten mittels Videoüberwachung aufgeklärt, Täter identifiziert und Fälle erfolgreich abgeschlossen werden. Doch deren Zahl ist gering, und so muß der Überwachungsaspekt und der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung immer mitgedacht und entsprechend bewertet werden. Es darf an dieser Stelle auch gefragt werden, inwieweit sich die gegenwärtige „Maskenpflicht“ im Rahmen der Covid-19-Pandemie auf Täteridentifikationen mittels Bildaufzeichnungen auswirkt. Die staatlich verordnete Vermummung hat Potential jegliche bildgeberischen Aufklärungsansätze ad absurdum zu führen.
Anstelle einer permanenten Überwachung mittels Videoüberwachung Aller im öffentlichen Raum wäre eine Intensivierung von Sozialarbeit, Aufklärungsarbeit und elaborierter Prävention wünschenswert, um etwaige Devianz im öffentlichen Raum zielgenau bewerten zu können und mit entsprechenden Mitteln nicht ausgrenzende sondern teilhabende Unterstützungsangebote hierzu bieten zu können. Ferner bedarf es sicherlich gesamtgesellschaftlicher Veränderungen, wodurch es gar nicht erst zu einer so massiven „Entgrenzung“ von Bevölkerungsteilen führt, welche den gegenwärtigen Sicherheitsdiskurs überhaupt erst in diesem Umfang konstituiert. Was weiter bleibt ist in jedem Fall eine nötige Diskussion um Videoüberwachung, welche sich weithin als Symptomatik einer unzulänglichen Auseinandersetzung und mangelnden konstruktiven Beachtung gesellschaftlicher und sozialer Brüche etabliert hat.

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https://www.labournet.de/interventionen/grundrechte/kommunikationsfreiheit/datenschutz/videoueberwachung/videoueberwachung-in-kassel-2020-ein-kommentar-zur-innerstaedtischen-ausweitung-von-ueberwachungsinfrastruktur/

https://netzpolitik.org/2017/kassel-treibt-videoueberwachung-trotz-ungeklaerter-rechtsgrundlage-voran/

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/straftaten-mehr-videoanlagen-2020-in-hessen-16548875.html

https://de.indymedia.org/node/17668

http://neue-kasseler-zeitung.de/tag/videoueberwachung/

:: Offener Brief an die Landtagsfraktion der Grünen in Hessen ::

Mit Blick auf eine wahrscheinliche weitere Beteiligung an der Landesregierung der Grünen in Hessen, haben 15 Bürgerrechtsorganisationen sowie zahlreiche Privatpersonen einen offenen Brief - angestoßen durch die Datenschützer Rhein Main - mitgezeichnet, welcher, kurz gesagt, im Sinne eines Appells zur Besinnung auf den Schutz der Bürgerrechte fokussiert. Da ich mitgezeichnet habe, veröffentliche ich ihn gerne hier.

Link: https://ddrm.de/wp-content/uploads/Offener-Brief-an-Landtagsfraktion-der-Gr%C3%BCnen-in-Hessen-Endfassung-2018.11.18-.pdf

:: Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt und die Frage der Hinweispflicht - ein Schriftverkehr mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten ::

In der aktuellen Diskussion um die Beschilderung von Videoüberwachungsanlagen respektive eine Hinweispflicht von deren Betreibern im öffentlichen Raum Kassel (siehe: https://netzpolitik.org/2017/kassel-treibt-videoueberwachung-trotz-ungeklaerter-rechtsgrundlage-voran) erreichte mich kürzlich der Schriftverkehr zwischen einem Bürger und der Behörde des Hessischen Datenschutzbeauftragten. Hier wurde im Jahr 2016 eine Anfrage gestellt, da der besagte Nutzer des öffentlichen Raumes zwar Videokameras, jedoch keine Beschilderung ausmachen konnte. Meines Wissens nach gab es zum Zeitpunkt des Schriftverkehrs die auch aktuell vorhandene Beschilderung. Jedoch ist dieser Fall sehr bezeichnend für die mangelhafte Verortung der Hinweisschilder zur Videoüberwachung in der Innenstadt Kassel, da diese tatsächlich so plaziert wurden, daß sie nur schwer zu entdecken sind oder gänzlich übersehen werden. Im weiteren verweist die hier einzusehende behördliche Antwort, welche jeglicher individuell-situativen Betrachtung des Falls seitens der Behördenmitarbeiterin mangelt, m.E. auf ein hohes Maß Unwissenheit zur lokalen Situation und/oder ein tatsächlich grundlegendes Desinteresse in bezug auf die Anliegen der Bürger, die hier offenkundig im Stile eines "copy and paste" Verfahrens bedient werden.

BeschilderungHeDaB.pdf