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:: Kassel will die Videoüberwachung ausweiten ::

Die Kasseler Innenstadt soll sicherer werden, oder genauer, die Bürger und Nutzer des öffentlichen Raumes sollen eine Zunahme ihres Sicherheitsgefühls erfahren, wie es laut einem HNA Artikel von Oberbürgermeister Christian Geselle gewünscht wird.
https://www.hna.de/kassel/mitte-kassel-ort248256/videoueberwachung-fuer-gesamte-koenigsstrasse-in-kassel-geplant-9214880.html
Die Königsstraße soll im Zuge von Sanierungen mit Videokameras ausgestattet, respektive die gegenwärtige Überwachungsinfrastruktur erweitert werden. Hier gibt es bereits Videoüberwachung, wie es im HNA Artikel als auch auf dieser Seite dokumentiert ist. Bleibt nun die Frage, ob die Innenstadt derzeit so unsicher ist/empfunden wird, daß die vorhandene Anzahl an Kameras notwendigerweise erhöht werden muß? Neben den hohen erwartbaren Kosten für dieses Projekt ist und bleibt die Frage nach Grundrechtseingriffen durch Videoüberwachung zentraler Kritikpunkt in dieser Diskussion.
Wie so oft wird hier mittels medialer Inszenierung das Ausbauen und Erweitern optisch-elektronischer Einrichtungen, in Form von Videoüberwachung, als möglicher Heilsbringer in einer vermeintlich unsicheren Gesellschaft verkauft. Die Absicht kann nur sein, Engagement und Bereitschaft zur Bekämpfung von Gefahrensituationen zu zeigen, welche mit Blick auf gegenwärtige Kriminalitätsstatistiken sicher nicht erkennbar sind und wohl lediglich auf ein neues (Un-)Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung Bezug zu nehmen scheinen anstatt auf konkrete Bedrohungslagen oder ein Faktum im Rahmen der herbei geredeten präventiven Stärke von Videokameras im öffentlichen Raum.
Herr Geselle ist sich sicher, daß die Überwachung gut in der Bevölkerung ankommt, wie es in dem besagten HNA Artikel lautet. Hier spielt er gewiß auf das grundlegende Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung an. Doch Vorsicht ist geboten bei dem anvisierten Ziel einer Erhöhung des Sicherheitsgefühls. Spätestens dann, wenn in der Bevölkerung die Erfahrung gemacht wird, daß trotz einer flächendeckenden Videoüberwachung Straftaten nicht verhindert werden können (z.B. Taten im Affekt machen vor keiner Kamera halt / möglicherweise aber nachträglich Täter identifiziert), wird das subjektive Sicherheitsgefühl wieder sinken und die politisch fürsorglichen Intentionen sind dahin. „Die Menschen sollen in einer attraktiven Innenstadt künftig ein noch besseres Sicherheitsgefühl haben.“ Diese Absicht von Herrn Geselle ist sicherlich lobenswert, jedoch wird das Ergebnis allerhöchstens von temporärer Dauer sein können.
Wenn solche massiven kontrollierenden Eingriffe von staatlicher Seite wie die Videoüberwachung zur Diskussion gestellt werden, erscheint mir ein Blick auf die bereits vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten zu dieser Thematik als unumgänglich. Mittlerweile gibt es zahlreiche Untersuchungen, welche "Videoüberwachung" als Thema mit all ihren möglichen Facetten einer kritischen Betrachtung unterzogen haben. Einen kurzen und guten Überblick hat der Verein digitalcourage e.V. gegeben, wobei in einem Artikel die wesentlichen Aussagen und Ergebnisse unterschiedlicher Arbeiten zusammenfassend vorgestellt werden.
https://digitalcourage.de/videoueberwachung/materialsammlung
Mit einem besonderen Blick auf das hier aktuell in Kassel verhandelte "Sicherheitsgefühl" sei die Arbeit von Rothmann genannt:
www.nk.nomos.de/fileadmin/nk/doc/NK_032010_Rothmann.pdf
Zu der Situation in Kassel haben bereits auch Netzpolitik.org und die Datenschützer Rhein Main recherchiert und kommentiert:
https://netzpolitik.org/2017/kassel-plant-ausweitung-der-videoueberwachung-obwohl-die-kriminalitaet-sinkt/
https://ddrm.de/kasseler-oberbuergermeister-fordert-ausweitung-der-videoueberwachung-in-der-kasseler-innenstadt/

UPDATE 09.01.2018

https://netzpolitik.org/2017/kassel-treibt-videoueberwachung-trotz-ungeklaerter-rechtsgrundlage-voran/

Netzpolitik bleibt am Ball. Ist die Beschilderung zur Videoüberwachung in Kassel ausreichend und angemessen?

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